Im tiefen, dunklen Wald, wo die Sonnenstrahlen nur spärlich durch das dichte Blätterdach dringen, lebten einst zwei Geschwister namen Hansel und Gretel. Ihre Eltern waren einfache Holzfäller, die trotz harter Arbeit kaum genug verdienten, um ihre Familie zu ernähren. In einer besonders schweren Zeit, als eine große Hungersnot das Land heimsuchte, sahen sich die Eltern gezwungen, eine schreckliche Entscheidung zu treffen.
Eine Nacht, als Hansel und Gretel bereits schliefen, flüsterten der Vater und die Stiefmutter in der Küche. „Wir haben kaum noch genug Brot für uns selbst„, sagte die Stiefmutter. „Wie sollen wir die Kinder durchbringen?“ Der Vater seufzte tief und schaute auf den spärlichen Vorrat an Lebensmitteln. „Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen sie im Wald zurücklassen. Vielleicht findet sie jemand und nimmt sich ihrer an.“
Hansel, der die Unterhaltung belauscht hatte, war entschlossen, sich und seine Schwester zu retten. Er schlich sich hinaus und sammelte kleine weiße Kieselsteine, die er am nächsten Tag, während sie tiefer in den Wald geführt wurden, unbemerkt fallen ließ. So fanden sie, als die Eltern sie verließen, leicht den Weg nach Hause zurück.
Doch die Hungersnot verschärfte sich, und die Stiefmutter wurde noch verzweifelter. Wieder plante sie, die Kinder loszuwerden. Diesmal war Hansel vorbereitet, aber er konnte nur ein Stück altes Brot nehmen, das er in Krümel zerbrach und auf dem Weg verstreute. Leider fraßen die Vögel die Krümel, und die Geschwister verloren sich im Wald.
Drei Tage irrten sie hungrig und erschöpft umher, bis sie auf ein wunderliche Haus stießen, das vollständig aus Lebkuchen, Kuchen und Zuckerwerk gebaut war. Vor Hunger und Erleichterung vergaßen sie jede Vorsicht und begannen, das Haus zu verzehren. Plötzlich öffnete sich die Tür, und eine alte Frau, die wie eine freundliche Großmutter aussah, trat heraus. „Kommt herein, liebe Kinder„, sagte sie mit zuckersüßer Stimme. „Ich habe noch viel mehr für euch.“
Doch die alte Frau war in Wirklichkeit eine böse Hexe, die Kinder in ihrem Lebkuchenhaus einfing und verspeiste. Sie sperrte Hansel in einen Käfig und zwang Gretel, für ihn zu kochen, um ihn zu mästen. Jeden Tag kam die Hexe und fühlte an Hansels Finger, ob er dick genug war, um gegessen zu werden. Doch Hansel war schlau und hielt ihr stets ein dünnes Stöckchen hin, da die Hexe schlecht sehen konnte.
Nach Wochen der Gefangenschaft beschloss die Hexe, nicht länger zu warten. „Dünn oder dick, morgen werde ich Hansel kochen und essen„, sagte sie. Sie befahl Gretel, den Ofen zu heizen. Doch Gretel, die die Hexe überlisten wollte, fragte naiv: „Ich weiß nicht, wie man den Ofen anheizt. Kannst du es mir zeigen?“ Die Hexe, die Gretels Täuschung nicht durchschaute, steckte ihren Kopf in den Ofen, um es zu demonstrieren. In diesem Moment stieß Gretel sie hinein und schloss die Tür.
Die Hexe schrie und tobte, aber Gretel hielt die Tür fest verschlossen, bis die Hexe verbrannt war. Dann befreite sie Hansel aus dem Käfig, und zusammen durchsuchten sie das Haus der Hexe. Sie fanden unermessliche Schätze, darunter Gold, Edelsteine und Perlen. Mit ihren Taschen voller Reichtümer machten sie sich auf den Weg nach Hause.
Nach vielen Tagen des Wandern und mit Hilfe eines freundlichen Schwan, der sie über einen breiten Fluss brachte, fanden sie endlich den Weg zurück zu ihrem Elternhaus. Ihr Vater, der seine Kinder schmerzlich vermisst hatte und die böse Stiefmutter, die inzwischen gestorben war, empfing sie mit offenen Armen. Mit dem Schatz, den Hansel und Gretel mitbrachten, lebten sie von da an in Wohlstand und Glück.
Doch die wahre Geschichte von Hansel und Gretel endet nicht hier. Die Geschwister, die durch ihre Abenteuer weise und stark geworden waren, beschlossen, ihre Erfahrung zu nutzen, um anderen zu helfen. Sie gründeten ein Heim für verlassene Kinder und halfen ihnen, ein neues Leben zu beginnen. Ihr Mut und ihre Großzügigkeit wurden weit und breit bekannt, und sie lebten ein langes und erfülltes Leben, stets darauf bedacht, dass kein Kind je wieder so leiden sollte, wie sie es einst taten.